Geschichte bis 1991

Geschichte des Forschungsstandortes bis 1991

1946 bis 1953

Phase 0 – Verbot und Neustart

1946

  • Alliierter Kontrollrat beschließt nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein Verbot zum Betreiben von Kernforschung und Kerntechnik in Deutschland

1950

  • Deutsche Akademie der Wissenschaften beschließt die Bildung des Institutes für Kern- und Atomphysik in Miersdorf bei Berlin

1953

  • Rede des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower vor der UN-Vollversammlung mit Initialisierung des ‚Atoms-for-peace-program‘ zur weltweiten auf friedlichen Anwendungen bezogene Kernforschung

1955

Phase 1 – Welle der nuklearen Euphorie

  • Beschluss des Ministerrates der UdSSR zur Unterstützung der DDR u.a. bei der Entwicklung der Forschung zur friedlichen Ausnutzung der Atomenergie
  • Abschluss eines Abkommens der UdSSR und der DDR zur Hilfeleistung auf dem Gebiet der Physik der Atomkerne und der Nutzung der Atomenergie (Lieferung eines 2 MW-Forschungsreaktors und eines Zyklotrons)
  • erste Vorbereitungen an der Baustelle in Rossendorf
  • Montanunion beschließt die Gründung der EURATOM
  • Beschlüsse des Ministerrates der DDR zur friedlichen Ausnutzung der Atomenergie mit Gründungen eines Amtes für Kernforschung und Kerntechnik, der Fakultät für Kerntechnik an der TU Dresden, des Wissenschaftlichen Rates und des Zentralinstituts für Kernphysik Rossendorf
  • Gründung der Fakultät für Kerntechnik an der TU Dresden
  • konstituierende Sitzung des Wissenschaftlichen Rates

1956

  • Gründung des Zentralinstitutes für Kernphysik Rossendorf (Tarnbezeichnung: Schule Arnsdorf) mit dem vorläufigen Sitz in Dresden zum 01.01.1956, dem Amt für Kernforschung und Kerntechnik unterstellt
  • Gründungsdirektor: Heinz Barwich (bis 1964)
  • Gründung Institut für angewandte Radioaktivität in Leipzig (Carl-Friedrich Weiß)
  • Baubeginn des Rossendorfer Forschungsreaktors im späten Frühjahr und Richtfest
  • Gründung VEB Vakutronic Dresden (Kernstrahlungsmess- und Überwachungstechnik)

1957

  • Einstellung des promovierten Diplom-Chemikers Rudolf Münze zum Aufbau der Isotopenproduktion
  • Schnelle Errichtung eines ersten eingeschossigen Produktionsgebäudes Flachbau
  • Beginn der Aufbereitung von Kernbrennstoffen im Labor (Extraktion, Aufbereitung, Abfallbehandlung)
  • Inbetriebnahme Forschungsreaktors FRM1 in München-Garching am 31.10.1957
  • Erstmalige Kritikalität des Rossendorfer Forschungsreaktors am 14.12.1957 nach 21 Monaten Bauzeit
  • Offizielle Inbetriebnahme und Einweihung des Rossendorfer Forschungsreaktors (Typ WWR-S) am 16.12.1957

1958

  • Das Zyklotron U-120 geht in Rossendorf in Betrieb
  • Der Rossendorfer Forschungsreaktor erreicht erstmals die Nennleistung von 2 MW
  • Beginn der Isotopenproduktion (mehrere Gebäude) mit der Auslieferung des ersten radioaktiven Präparates: Ethylbromid (4E10 Bq Br-82); erzielter Umsatz 1958 von 3000 Mark

1960

  • Zwei Großgeräte (Rossendorfer Forschungsreaktor und Zyklotron U120) sind im Routinebetrieb
  • das Zentralinstitut für Kernphysik ist mit insgesamt ca. 900 Mitarbeiter in sechs Bereiche gegliedert (Atomkernphysik, Radiochemie, Reaktortechnik und Neutronenphysik, Werkstoffe und Festkörper, Theoretische Physik, Technik) mit ca. 540 Mitarbeitern (davon 140 mit Hochschulabschluss); zusätzlich vier übergeordnete Bereiche (Strahlenschutz und Dosimetrie, Zentralbibliothek, Anlagenerhaltung, Technische Dienste) mit ca. 350 Mitarbeitern
  • Beginn der Entwicklung des Rossendorfer Ringzonenreaktors (in Anlehnung an den amerikanischen Argonautreaktor)

1962

  • Erste Sparmaßnahmen und Neuorientierung in der Forschungslandschaft der DDR mit Einschränkungen für die Grundlagenforschung: Feststellung von nur noch 3500 statt 4000 Mitarbeiter in der Kernforschung/Kerntechnik; Amt für Kernforschung und Kerntechnik (AKK) wird aufgelöst; das Zentralinstitut für Kernphysik wird danach der Akademie der Wissenschaften zugeordnet
  • Auflösung der Fakultät Kerntechnik der TU Dresden und Eingliederung als Institut in die Fakultät Maschinenbau
  • Herstellung von trägerfreiem P-32
  • erster Export von radioaktiven Präparaten
  • von 1962 bis 1964 reaktorphysikalische Überlegungen und Beginn von Studienuntersuchungen zum Schnellen Brüter unter Klaus Fuchs; Abbruch der Arbeiten 1964
  • Inbetriebnahme und erste Kritikalität des Rossendorfer Ringzonenreaktors

1963

  • Eingliederung des Zentralinstitut für Kernphysik in die Forschungsgemeinschaft der Deutschen Akademie der Wissenschaften und Umbenennung in Zentralinstitut für Kernforschung
  • Dauerbetriebsgenehmigung des Rossendorfer Ringzonenreaktors

1964

Phase 2 – Einschnitte Forschungsarbeiten, Auseinandersetzungen, Rückschläge, Richtungsstreitereien

  • Zweiter Direktor: Prof. Helmuth Faulstich (bis 1970)
  • Ab 1964 wurden Studienversuche zum Kernbrennstoffzyklus für den Schnellen Brüter durchgeführt (Versorgung, Entsorgung, Wiederaufbereitung, Refabrikation)

1965

  • Leistungserhöhung des Rossendorfer Forschungsreaktor von 2 auf 5 MW mit 10%-U-235-Anreicherung; am 06.05.1965 wird erstmals die Nennleistung von 5 MW erreicht
  • Auslieferung der ersten Mo-99/Tc-99m-Nuklidgeneratoren

1966

  • Beginn von Entwicklungs- und Erprobungsarbeiten von Brennelementen

1967 bis 1968

  • Leistungserhöhung des Rossendorfer Forschungsreaktor von 5 auf 10 MW mit 36 %-U-235-Anreicherung; am 31.10.1967 wird erstmals die Nennleistung von 10 MW erreicht
  • Akademie- und Hochschulreform: Verschiebung von Grundlagenforschung in Richtung Angewandte Forschung, u. a. Ausrichtung zur Entwicklung thermischer Leichtwasserreaktoren
  • Ca. 8000 Auslieferungen der Isotopenproduktion mit 1,2E+13 Bq (320 Ci); hiervon gingen mehr als 50 % in den Export

1969

  • Die Rossendorfer Anordnung für kritische Experimente (RAKE II) wird in die Nullreaktorhalle umgesetzt und erstmals kritisch (10 Wtherm, EK-10-Brennelemente mit 10%-U-235-Anreicherung
  • Umorientierung auf ausschließliche Refabrikation der Brennelemente
  • Beginn der Forschungsarbeiten mit dem Kernkraftwerk Rheinsberg zum Betriebsverhalten der Brennelemente (Abbrand, etc.)

1970

Phase 3 – Konsolidierung, Richtungswechsel, Ausbau

  • Dritter Direktor: Prof. Günter Flach (bis 1990)
  • für 20 Mio. Mark wird ein Technologiezentrum gebaut (1976 Inbetriebnahme) da die Gebäude der Isotopenproduktion nicht ausreichen

1971

  • Die DDR tritt dem Atomwaffensperrvertrag bei
  • Entwicklung eines Messkanals für den Neutronenfluss für das Kernkraftwerk Greifswald
  • Installation eines Van-de Graff-Generators (zwischen 1969 und 1972)

1972

  • Erste IAEA-Inspektion in Rossendorf
  • Rossendorfer Ringzonenreaktor wird mit dem schnellen Einsatzgitter kritisch und Beginn der Forschungsarbeiten zu schnellen Reaktoren
  • Entwicklung eines ersten Oxidmessers in Natrium (für schnelle Brütertechnologie)
  • Beginn der Entwicklung Incore-Neutronenfluss-Instrumentierung (auf Rh-Basis), Messtechnik, Rechnertechnik
  • Fertigstellung des Tandemgenerators

1974

  • Vertrag im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (u. a. mit Polen, CSSR) zur Lieferung von bestrahltem Brennstoff, z. B. bei Betriebspausen des Rossendorfer Forschungsreaktors wurden bestrahlte Brennelemente aus Polen und CSSR genutzt

1975

  • Zustimmung des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz zum Dauerbetrieb des Rossendorfer Forschungsreaktors mit 10 MW
  • Produktion von Mo-99 aus Natur-Mo (Mo-98 nur 25 %, schlechter Neutroneneinfang) mit Neutronenbestrahlung; später Herstellung aus Natururan (300 g), die Abtrennung liefert 4E11 Bq Mo-99; da der Bedarf an Tc-99 stark ansteigt sollte 5E13Bq hergestellt werden; hochangereichertes 90%iges U-235 stand nicht zur Verfügung, daher direktes Verwenden der Brennelemente (36%ige Anreicherung; 105-120 g U); ab 1975 Entwicklung eines Verfahrens zur Abtrennung von Mo-99 aus bestrahlten Brennelementen; Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin Dresden und der Charité Berlin; Haltung der Akademie der Wissenschaften zur Isotopenproduktion war zwiegespalten (Wissenschaft <=> Kommerz), aber Einnahmen waren gern gesehen; Pläne zur Ausgliederung der Isotopenproduktion in die chem. Industrie wurden bereits 1972 verworfen

1976

  • Gebäude Isotopenproduktion geht in Betrieb (Technologiezentrum; TZ); mit 2 heißen und 6 warmen Zellen
  • bis 1976 wurden 35.000 Sendungen ausgeliefert und 6,6 Mio. Mark eingenommen
  • ab 1976 Fertigung von Co-60-Quellen im MCi Bereich (3,7E16 Bq) im Wassertresor für Co-Bomben; später wurde das Co-60 u.a. in Rheinsberg und Lubmin erzeugt

1977

  • Herstellung von Ga-67-Citrat mit dem Zyklotron U120
  • Beginn der Produktion von Ir-192-Quellen

1980

  • Die Rossendorfer Isotopenproduktion ist den 1980er Jahren der weltweit drittgrößte Anbieter mit einem kommerziellen Vertrieb über die Isocommerz GmbH. Fast ein Brennstab pro Woche des Rossendorfer Forschungsreaktors wird für die Mo-99/Tc-99m Produktion zerlegt.

1981

  • Probebetrieb der Anlage AMOR I (Anlage zur Mo-Produktion Rossendorf);                                                    
  • Für die Isotopenproduktion werden am Rossendorfer Forschungsreaktor und im U120-Zyklotron 60 Elemente als Targetmaterial bestrahlt. Hieraus werden 84 Radionuklide als Produkte, 250 markierte organische Verbindungen und 150 Radiochemikalien/Radiopharmaka/Strahlenquellen hergestellt (meist kurz- bzw. mittellanglebige Radionuklide). Es werden bis 1,0E+15 Bq in 70 Heißen Zellen/Boxen gehandhabt.

1982

  • Die AMOR I geht 1982 in Betrieb (bis 1991). Die Brennelemente werden ca. 200 Stunden bei einem Neutronenfluss von 5,0E+13 n/cm²s bestrahlt und in Salpetersäure aufgelöst, sodass ca. 1,0E+15 Bq an Spaltprodukten pro Brennelement entstehen (flüchtige Gase wie I und Xe werden gefiltert bzw. verzögert über die Abluft abgegeben). Aus der Spaltproduktlösung wird das Mo-99 über Ionentausch und Elution mit Ammoniak-Lösung abgetrennt. Pro Woche werden ca. 5,0E+12 Bq Mo-99 hergestellt.  
  • Inbetriebnahme Niederniveaumesslabor Felsenkeller, Messkammer 1

1983

  • Im Jahr kommt es zu mehr als 50.000 Auslieferungen, wovon 60 % in den Export gehen.
  • Entwicklung von Prüfsystemen zur Werkstoffkunde im Bereich Korrosion und Versprödung für u.a. Druckkessel sowie Dampferzeuger
  • Die Positronenemissionstomographie (PET) mit den Nukliden C-11, F-18 und I-123 wird als Verfahren zur Entwicklung am Standort eingeführt, verknüpft mit Prof. Dr. Jörg Steinbach
  • Das Urantechnikum ist in der Lage Uranpellets herzustellen

1985

  • Inbetriebnahme der AMOR II: Die Prozess(Abfall-)lösung der AMOR I wurde 3-4 Jahre in Keramikbehältern zwischengelagert. Zur Rückgewinnung des Urans wurde dieses mit Tributylphosphat extrahiert. In der (nicht vollendeten) AMOR III sollte das Uran erneut zu Brennelementen verarbeitet werden, sodass der vollständige Kernbrennstoffkreislauf realisiert wäre.
  • Über und mit der IAEA wurden Isotopenproduktionsanlagen in 7 Entwicklungsländern und 2 weiteren Ländern aufgebaut.

1986

  • Der Umsatz der Isotopenproduktion lag bei 23,8 Mio. Mark.

1987

  • 1987-1989 fand eine umfassende Rekonstruktion des RFR statt, aufgrund geänderter Auflagen seitens der Aufsicht erfolgte keine Wiederinbetriebnahme des Reaktors

1988

  • In den 30 Jahren der Isotopenproduktion wurden mehr als 750.000 Präparate mit mehr als 500 verschiedenen Erzeugnissen ausgeliefert (chemische Verbindungen, markierte Vitamine B12, markierte organische Verbindungen für die chemische Analytik bzw. zur Erforschung von Naturprozessen, ca. 500 C-14-markierte Grundchemikalien, komplexe Technetium-Verbindungen für Hirn- und Herzuntersuchungen, Weiterentwicklung der Spaltproduktabtrennung und Entwicklung eines Te-132/I-132-Generators, Entwicklung eines Gegenstromextraktionsverfahrens mit Tributylphophat-Perchlorethylen für die Nuklide C-14, H-3, P-32, S-35)

1989

  • Im Jahr der politischen Wende in Deutschland arbeiten ca. 1560 Mitarbeiter in Rossendorf, davon 537 mit Hochschulabschluss. 120 Mitarbeiter arbeiten in der Isotopenproduktion. Die Aufwendungen am Standort lagen bei ca. 110 Mio. Mark, aus den Forschungsverträgen und Isotopenverkäufen wurden 67 Mio. Mark Erlöse erzielt.

1990

  • In der Übergangszeit wird Prof. Dr. Wolf Görner Direktor des Forschungsstandortes. Die Mitarbeiterzahl sinkt leicht auf 1453, davon 500 mit Hochschulabschluss
  • Die Produktion von Mo-99 aus bestrahltem Kernbrennstoff wird beendigt.
  • 1990 kommt es zu mehr als 100.000 Auslieferungen von radioaktiven Präparten bei einem Umsatz von 20 Mio. Mark. Maßgebend wird P-32, I-131, Mo-99/Tc-99m mit Markierungssätzen produziert, 50 % gehen in den Export. Zur Tumorszintigrafie wird Ga-67-Citrat in Rossendorf hergestellt.
  • Ein Wissenschaftsrat beschäftigt sich mit der Zukunft des Rossendorfer Standortes.

1991

  • Außerbetriebnahme sämtlicher Reaktoren (Rossendorfer Forschungsreaktor, Rossendorfer Ringzonenreaktor, Rossendorfer Anordnung für kritische Elemente)  
  • Aufsichtliche Anordnung des Sächsischen Umweltministeriums zur Betriebseinstellung der Isotopenproduktion und Überführung in einen sicheren Betriebszustand.
  •  Prof. Dr. Dr. Wolf Häfele kommt an den Forschungsstandort Rossendorf und wird Direktor des ZfK
  • Allen Mitarbeitern in Rossendorf wird gekündigt; eine Neu-Bewerbung und eine Übernahme sind möglich.
  • Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates werden in Rossendorf zwei Vereine zum 01.01.1992 gegründet: für den zukünftigen Wissenschaftsbetrieb das Forschungszentrum Rossendorf e.V. (FZR heute HZDR; > 450 Mitarbeiter), für die anstehende nukleare Altlastensanierung (Kernanlagen) der Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e. V. (VKTA > 120 Mitarbeiter)
  • Prof. Dr. Dr. Wolf Häfele wird in den Gründungsversammlungen Vorstand sowohl beim FZR als auch beim VKTA.
  • Zum 31.12. wird die Deutsche Akademie der Wissenschaften und damit auch endgültig das Zentralinstitut für Kernforschung aufgelöst. Eine Rechtsnachfolge des Zentralinstitutes für Kernforschung gibt es nicht.