Prof. Dr. Siegfried Niese
* 23.10.1932 † 02.04.2021
Am 02.04.2021 verstarb Herr Prof. Dr. Siegfried Niese im Alter von 89 Jahren.
Als einer der über Jahrzehnte prägenden Wissenschaftler hat er sich am Forschungsstandort Rossendorf für die radiochemische Analytik in vielfältiger Weise eingesetzt.
Siegfried Niese wurde 1932 in Riesa geboren und studierte nach dem Abitur von 1951 bis 1956 an der Universität Leipzig Chemie, wo er 1959 mit einer Arbeit zur Extraktion von Thoriumnitrat promovierte. Er war 1956 einer der ersten wissenschaftlichen Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung der Akademie der Wissenschaften und blieb dem Standort Rossendorf über sein ganzes Berufsleben bis zur Pensionierung 1997 treu.
Die Inbetriebnahme des Forschungsreaktors 1957 in Rossendorf war der Startpunkt für die Etablierung der Neutronenaktivierungsanalyse. Diese damals sensitivste Methode zur Elementbestimmung in verschiedensten Matrices, hat ihn nahezu sein gesamtes Berufsleben begleitet. 1980 konnte er das Standardfachbuch Spurenelementbestimmung durch Neutronenaktivierung gemeinsam mit den Herren Pfrepper und Görner veröffentlichen. Die Arbeiten über die Reaktionen mit schnellen Neutronen und die Untersuchungen zur Spurenanalyse in Halbleiterwerkstoffen führten ihn zur Promotion B, die er im Dezember 1972 vorlegte. Aufgrund seiner vielfältigen Verdienste um die Aktivierungsanalyse wurde Siegfried Niese 1982 von der Akademie der Wissenschaften zum Professor ernannt.
In seiner Funktion als Leiter der Fachgruppe Radiochemische Analytik der Chemischen Gesellschaft ist 1975 von ihm die erste internationale Tagung zur Nuklearen Analytik initiiert und organisiert worden. Diese Tagungen fanden bis 1991 regelmäßig aller vier Jahre als Meeting on Radioanalytical Methods in Dresden statt und boten vielen Wissenschaftlern aus Ost und West ein vielseitiges Diskussionspodium. Im Jahr 1999 initiierte er den ersten Workshop über Radiochemische Analytik, welcher 2021 zum nunmehr neunten Male stattgefunden hat.
Die Spurenanalyse von neutronenaktiviertem Halbleitersilizium erforderte eine drastische Reduzierung des Einflusses des Nulleffektes bei Kernstrahlungsmessungen. Mit Vehemenz verfolgte Prof. Niese deshalb das Ziel, in einem Dresdner Brauereistollen ein Untertagelabor einzurichten, um dort neutronenaktivierte und Umweltproben ohne die störenden Nulleffektquellen der Höhenstrahlung gammaspektrometrisch analysieren zu können. In der Blütezeit der NaI-Detektoren waren durch den hohen Eigennulleffekt und die schlechte energetische Auflösung die meisten Nulleffekt-Quellen noch nicht quantifizierbar und es existierten weltweit nur sehr wenige Untertagelabors. Insofern ist die Weitsicht von Siegfried Niese, in Dresden ein Untertagelabor zu etablieren, aus heutiger Sicht mit außergewöhnlichem Respekt zu würdigen. Mit dem Aufbau einer ersten Messkammer 1982 wurde der Grundstein für einen bis heute fast 40-jährigen erfolgreichen Betrieb des Niederniveaumesslabors Felsenkeller gelegt. Letztendlich waren seine Ideen auch die Grundlage für das gemeinsam von Technischer Universität Dresden und dem Helmholtzzentrum Dresden-Rossendorf betriebene untertägige Beschleunigerlabor am gleichen Standort.
Prof. Nieses Philosophie forderte immer eine gesunde Mischung aus interdisziplinärer Wissenschaft, Routinebetrieb und methodischer Weiterentwicklung. Durch diese Diversifizierung waren seine Arbeitsgruppen und auch das Labor Felsenkeller über die Jahre von wissenschaftspolitischen Entscheidungen weitestgehend unabhängig.
Großen Wert legte er auf die Förderung junger Menschen, die er mit großem Engagement auf ihren Wegen in die Wissenschaft begleitete.
Prof. Niese war Mitautor bzw. Autor von weit über 100 Publikationen in Fachzeitschriften und von vier Fachbüchern. Seit 1961 war er Mitglied der Chemischen Gesellschaft, bis 1990 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Nukleare Analytik und gehörte mehrere Jahre der Physikalischen Gesellschaft, der Gesellschaft für Geologische Wissenschaften, dem Fachverband Strahlenschutz und der Kerntechnischen Gesellschaft an.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1997, widmete er sich intensiv der Geschichte der Radioaktivität. Insbesondere intensivierte er seine bereits 1985 mit einem Kolloquium zum 100. Geburtstag von Georg Hevesy, dem Entdecker der Aktivierungsanalyse, begonnenen wissenschaftshistorischen Forschungen. Mit der von ihm verfassten Biographie Georg von Hevesy – Wissenschaftler ohne Grenzen wurde der Nobelpreisträger Hevesy auch in seiner ehemaligen Wirkungsstätte Freiburg erneut bekannt. Auf Initiative von Prof. Niese reaktivierte die Universität Freiburg das Andenken an eine bedeutende Forscherpersönlichkeit.
In seiner Zeit als aktiver Ruheständler blieb er weiter sehr eng seiner früheren Wirkungsstätte, insbesondere dem Felsenkellerlabor verbunden. Er führte erste Messungen zum Neutronenuntergrund im Felsenkeller durch und regte Analysen langlebiger kosmischer Radionuklide in Meteoriten an. Diese Vorarbeiten waren die Grundlage für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre. Aber auch in seinem persönlichen Umfeld blieb er seiner tätigen Unruhe treu. Basierend auf seinem großen Interesse an geologischen Fragestellungen initiierte er 2001 das Geologischen Freilichtmuseums rund um den Porphyrfächer in Mohorn – Grund.
Siegfried Niese wird uns als Ideengeber, väterlicher Freund und Wissenschaftler stets unvergessen bleiben.
Dr. Irene Mailand
Dr. Detlev Degering
Dr. Matthias Köhler
VKTA – Strahlenschutz, Analytik & Entsorgung Rossendorf e. V.
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf e. V.
mit seinen Mitarbeiterinnen & Mitarbeitern
und der Gremien der Vereine
Dr. Dietmar Schlösser | Direktor VKTA
Prof. Dr. Sebastian M. Schmidt | Wissenschaftlicher Direktor HZDR